Daniil Sukhonos, Dissertation, Fachbereich Physik der Universität Hamburg, 2020 :

"Spectrometer Straw Tracker design studies for the SHiP experiment"


Der Volltext wurde als Buch/Online-Dokument (ISBN urn:nbn:de:gbv:18-ediss-89105) im Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky veröffentlicht.

Summary

Kurzfassung

Das SHiP-Experiment wurde im Zusammenhang mit einer neuen Beam Dump Facility (BDF) von hoher Intensität am CERN SPS-Komplex vorgeschlagen, um nach neutralen ”versteckten Teilchen“ mit Massen bis zu einigen GeV zu suchen, die nur schwach mit Teilchen des Standardmodells wechselwirken. Aufgrund der hohen Intensität des 400GeV SPS Protonenstrahls (4 · 10^19 p.o.t. pro Jahr), einer großen Akzeptanz des Detektors und einer sorgfältigen Unterdrückung des Untergrunds, insbesondere durch Verwendung eines magnetischen Myonen-Schildes hinter dem Target, werden bislang unerreichte Sensitivitäten erwartet. Eine entscheidende Rolle bei der Rekonstruktion der Zerfälle möglicher Kandidaten spielt das Hidden Sector (HS) Spektrometer von SHiP. Hauptkomponente des HS-Spektrometers ist der Spectrometer Straw Tracker (SST), der aus vier Trackingstationen und einem Dipolmagneten besteht. Der SST ist ein Spurdetektor, welcher konzipiert wurde Untergrund zu verwerfen und Signalereignisse zu erkennen, indem er die Impulse geladener Teilchen präzise misst sowie die Zerfallsvertizes und die Stoßparameter rekonstruiert und so den Entstehungsort der verborgenen Teilchen bestimmt. Anforderungen an den SST sind eine große Akzeptanz von 5m× 10m und eine Ortsauflösung von mindestens 120 µm. Dabei muss die Menge an Material im Akzeptanzbereich auf ein Mindestmaß reduziert werden. Um diese Anforderungen zu erfüllen, wurde ein Drift-Detektor auf Basis ultraleichter, 5m langer Straw Tubes mit einem Durchmesser von 2cm vorgeschalgen, welcher im Vakuum betrieben werden soll. Basierend auf einer von der NA62-Kollaboration entwickelten Technologie, bestehen die Kathoden der Straw Tubes aus 36 µm dünnen, biaxial orientierten PET-Röhren, die auf der Innenseite mit Kupfer und Gold beschichtet sind. Als Anode wird ein Draht aus einer vergoldeten Wolfram-Rhenium-Legierung mit 30 µm Durchmesser verwendet. Die Röhre ist mit einem Gasgemisch aus Ar/CO2 im Verhältnis 70%/30% bei 1 bar Absolutdruck gefüllt. Eine Hochspannung von 2.2kV sorgt für eine Gasverstärkung zwischen 104 und 105. Mit dieser Konstruktion lassen sich Werte von 0.5% einer Strahlungslänge pro Station erreichen. Sie bringt jedoch Herausforderungen in Bezug auf die mechanische Festigkeit und Stabilität der Röhren mit sich. Die Straw Tubes unterliegen einem erheblichen gravitativen Durchhang, welcher zu einer nicht zu vernachlässigenden Verschiebung des Drahtes aus der Röhrenmitte führt, und können nicht ohne Vorspannung oder externe Haltestrukturen betrieben werden. Es werden mehrere mechanische Konstruktionen der Tracking Stationen untersucht, um das Ausmaß des Durchhangs der Röhren zu minimieren und gleichzeitig die Menge an Material im sensitiven Bereich minimal zu halten. Die in dieser Arbeit vorgestellten Studien befassen sich mit verschiedenen Aspekten im Zusammenhang mit den Eigenschaften der Straw Tubes und ihrer Leistungsfähigkeit innerhalb des SST und sollen als Leitfaden für das technische Design dienen. Ein Kapitel dieser Arbeit behandelt einige wichtige mechanische und elektrische Eigenschaften der Straw Tubes. Dazu gehören gravitativer Durchhang, 3-dimensionale Oberflächenuntersuchungen, Messungen der Elongation, des Fließens und der Signaldämpfung. Es wurden Prototypen gebaut und Messungen im Labor durchgeführt. Die Ergebnisse werden mit theoretischen Vorhersagen verglichen. Ein Kapitel widmet sich einem mit einem Straw Tube Prototypen durchgeführtem Teststrahlexperiment und der damit verbundenen Datenanalyse. Ein 2m langer Straw Tube Prototyp wurde in einem 150GeV-Pionenstrahl am CERN getestet. Das Ziel des Teststrahlexperiments war die Ortsauflösung der Straw Tube in Abhängigkeit verschiedener Drahtverschiebungen zu messen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Ortsauflösung der Straw Tube nicht wesentlich von der Drahtverschiebung abhängt, und es wurde eine Genauigkeit von besser als 110 µm erzielt. Die Form der Driftzeit-Orts-Beziehung (”V-Form“) hängt jedoch signifikant von der Drahtexzentrizität ab, was darauf hinweist, dass die Verzerrungen des elektrischen Feldes aufgrund der Drahtverschiebung eine große Rolle spielen. Die Möglichkeit, die Drahtexzentrizität allein aus dem Driftzeitspektrum mit Hilfe von Algorithmen, welche die Form des Spektrums analysieren, zu extrahieren, wird in diesem Kapitel ebenfalls in Betracht gezogen und auf der Grundlage der Teststrahlergebnisse ausgearbeitet. Abgesehen von der direkten Messung der lokalen Drahtexzentrizität könnten diese Algorithmen zum Verständnis der tatsächlichen Straw Tube Geometrie bei SHiP beitragen und einen Input für einen zukünftigen Geometriekorrekturalgorithmus liefern. Im letzten Kapitel werden die Ergebnisse einiger Simulationsstudien besprochen. Wie bereits erwähnt, ist die Unterdrückung des Untergrunds für das SHiP Physik Programm wesentlich. Das Myon-Schild wurde entwickelt, um die aus dem Target und Hadronenabsorber der BDF kommenden Myonen aus dem Akzeptanzbereich abzulenken und dadurch die Untergrundraten in den SHiP-Detektoren so niedrig wie möglich zu halten. Die Beschreibung des Experiments im Simulationsframework wurde verbessert, um ein realistischeres Feld des Spektrometermagneten und die passende Massenverteilung der SST-Rahmen zu berücksichtigen. Die Untergrundraten im SST wurden mit dieser neuen Beschreibung verifiziert. Die maximale Okkupanz im SST pro Straw Tube, die für das nominelle Magnetfeld der SHiP-Myonen-Abschirmung berechnet wurde, beträgt ≈ 10 kHz/Röhre, was einer mittleren Anzahl von 0.01 Treffern/Röhre in einem Zeitfenster von 1 µs entspricht. Dies gewährleistet einen reibungslosen Betrieb der Röhren ohne Sättigung unter nominellen Bedingungen und lässt noch einen Spielraum, die Trefferrate für eine Kalibration des Trackers deutlich zu erhöhen, z.B. durch Reduzierung des Myon Shield Feldes. Es wurde weiterhin gezeigt, dass die Trefferraten in den beiden Stationen vor dem Dipolmagneten von niederenergetischen e+/e− -Teilchen (aus Photokonversion) dominiert werden, während in den beiden Stationen hinter dem Magneten tatsächlich Myonen die dominierende Ursache für die Trefferraten sind. In der SHiP-Simulation wurde eine erste Studie über die Auswirkung des Durchhangs der Straw Tubes und damit einer von Null verschiedenen Drahtexzentrizität durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Qualität der Fits signifikant von der Streuung der Drahtexzentrizität innerhalb des SSTs abhängt, während sie weniger empfindlich auf den Mittelwert reagiert. Diese Studien sollten weiter ausgearbeitet werden, um die akzeptable Toleranz für die Variation der maximalen Drahtverschiebungen in den Straw Tubes genauer zu spezifizieren. Die letzte Simulationsstudie ist dem Einfluss der zeitlichen Anhäufung von Myon-Untergrundereignissen gewidmet. Bislang wurden in der SHiP-Simulation Ereignisse einzelner Protonenwechselwirkungen und die anschließende Geant4-Teilchenproduktion innerhalb des experimentellen Aufbaus betrachtet. Im realen Experiment werden die Daten in Zeit-Frames eingeteilt, die Detektorsignale verschiedener Herkunft enthalten (mehrere Protonenwechselwirkungen, kosmische Schauer, Rauschen usw.). Als Teil dieser Arbeit wurde ein Pile-Up-Simulationsalgorithmus vorgeschlagen und in das Digitalisierungsverfahren des SHiP-Simulationsframeworks implementiert. Die Robustheit der Mustererkennungsalgorithmen wurde ohne jegliche Anpassung an Myon-Untergrundereignissen überprüft. Das Hinzufügen von Pile-Up innerhalb eines Zeitfensters von 3 µs führte zu einem relativen Abfall der Effizienz der Spurerkennung um 9%, was darauf hinweist, dass eine gewisse Anpassung erforderlich ist. Zusammenfassend wurde eine Charakterisierung verschiedener Aspekte der SHiP-Straw Tube durchgeführt und im Rahmen der SHiP-Simulation untersucht. Die in dieser Arbeit erzielten Ergebnisse best¨atigen nicht nur die Durchführbarkeit des vorgeschlagenen SSTDetektorkonzepts für das SHiP-Experiment, insbesondere im Hinblick auf die Vergrößerung des Röhrendurchmessers auf 2cm, sondern bieten auch eine Anleitung für die weitere Entwicklung des technischen Designs.

Titel

Kurzfassung

Summary

The SHiP experiment has been proposed in conjunction with a new high-intensity Beam Dump Facility (BDF) at the CERN SPS complex in order to search for neutral “hidden” particles with masses up to a few GeV and feebly interacting with Standard Model particles. Unprecedented sensitivities are expected due to the high intensity of the 400 GeV SPS proton beam (4 · 10^19 protons on target per year), a large acceptance detector and careful suppression of background, in particular by using a magnetic Muon Shield behind the production target. A crucial role in the reconstruction of the decays of the signal candidates is played by the Hidden Sector (HS) decay spectrometer of SHiP. The main subsystem of the HS decay spectrometer is the spectrometer straw tracker (SST) consisting of four tracking stations and a dipole magnet. The SST is a tracking detector conceived to reject background and detect signal events by measuring precisely charged particle momenta, reconstruct decay vertices and the impact parameters to the point of production of hidden particle candidates. The SST needs to cover a large acceptance of 5m× 10m providing at least 120µm spatial resolution of track hits and must be made with a minimum amount of material in the acceptance. To satisfy these requirements, an in-vacuum drift detector based on ultralight 5m long and 2 cm diameter straw tubes was proposed. Building on a technology developed by the NA62 collaboration, the cathode straw tubes are made of 36µm thick biaxially-oriented PET coated with copper and gold on the inner surface of the tube. The anode is a 30µm diameter wire made of gold-plated tungsten-rhenium alloy. The tube is filled with Ar/CO2 70%/30% gas mixture at 1 bar absolute pressure. An applied high voltage of 2.2 kV provides a gas gain between 104 and 105. This design allows to achieve 0.5% of a radiation length per tracking station. However, it brings important challenges in terms of mechanical rigidity and stability of the tubes. The straw tubes undergo significant gravitational sagging, which leads to a non-negligible wire displacement from the tube center, and cannot operate without pretensioning or external supporting structures. Several mechanical designs of the tracking stations are being explored to minimize the magnitude of the sagging of the tubes, while keeping minimal the material amount in the acceptance. The studies presented in this thesis address various aspects related to the characteristics of the straw tubes and their performance within the SST and are intended to guide the engineering design. One chapter of this thesis covers some key mechanical and electrical properties of the straw tubes. This includes gravitational sagging, 3-dimensional surface scanning, elongation, creep measurements and signal attenuation. Prototypes were built and measurements were performed in the laboratory. The results are compared to theoretical predictions. A chapter is devoted to the test beam experiment preformed with a straw tube prototype and to the associated data analysis. A 2m prototype straw tube was tested with a 150 GeV pion beam at CERN. The goal of the test beam experiment was to measure the spatial resolution of the straw tube with respect to different wire displacement values. The results show that the spatial resolution of the straw tube does not depend significantly on the magnitude of the wire displacement, and a spatial resolution of less than 110µm was obtained. However, the shape of the isochrone relation of the straw tube (the V-shape) depends significantly on the wire eccentricity, indicating that the electric field distortions due to the wire displacement are important. The possibility to extract the wire eccentricity from the drift time spectrum alone, using edge finding algorithms, was also considered and elaborated in this chapter based on the test beam results. Apart from providing a direct measurement of the local wire eccentricity, these algorithms could help to understand the actual straw tubes geometry in SHiP and could provide input to a future geometrycorrecting algorithm. In the last chapter, the results of a few simulation studies are discussed. As already mentioned, the suppression of the backgrounds is essential for the SHiP physics reach. The Muon Shield was developed to deflect out of the acceptance the muons coming out of the production Target and Hadron Absorber of the BDF, thereby keeping as low as possible the background rates in the SHiP detectors. The description of the experiment in the simulation framework was improved to take into account a more realistic field map of the spectrometer magnet and the equivalent mass model of SST frames. The rates of background hits in the SST were verified with this new description. The maximum occupancy in the SST per straw tube obtained for the nominal values of the magnetic fields of the SHiP Muon Shield is ≈ 10 kHz/tube, which corresponds to an average of 0.01 hits/tube for a 1µs time window. This ensures smooth operation of the tubes without saturation under nominal conditions and leaves room to increase significantly the hit rate for the tracker alignment runs, for example, by reducing the Muon Shield field. It was also found that the hit rates are dominated by low energy e+/e− particles (from photon conversions) in the two stations before the dipole magnet, while real muons are the dominant cause of hit rates in the two stations behind the magnet. An initial simulation study of the effect of straw tube sagging and, hence, of non-zero wire eccentricity was performed in the SHiP simulation framework. The results show that the track fitting quality depends significantly on the spread of the wire eccentricity across the SST, while it is less sensitive to the mean value of this eccentricity. These studies should be elaborated further in order to specify more precisely the acceptable tolerance to the variation of the maximum wire displacements in the straw tubes. The last simulation study is devoted to the influence of the pile-up in time of the muon background events. So far, SHiP simulation events corresponded to one generated proton interaction and the subsequent Geant4 particle production through the experimental setup. In the real experiment, the data stream will be subdivided in time frames containing detector hits from various sources (several proton interactions, cosmic ray showers, noise, etc). As part of this thesis, a pile-up simulation algorithm was proposed and implemented into the digitization procedure of the SHiP simulation framework. The robustness of the track pattern recognition algorithms was checked on the muon background events without any adaptation of the algorithm. Adding pile-up within a 3µs time window provoked a relative drop of the tracks recognition efficiency by 9%, indicating that some adaptation is required. In summary, a characterization of several aspects of the SHiP straw tubes was performed and studied within the SHiP simulation framework. The results obtained in this work not only confirm the viability of the proposed SST detector concept for the SHiP experiment, in particular the choice of increasing the straw diameter to 2 cm, but also provide a guidance for further development of the engineering design.